Angesichts der anhaltenden Energiepreiskrise, vor allem in Folge des Ukrainekriegs, hat die Bundesregierung umfassende Maßnahmen zur Abfederung der Preiseffekte auf Haushalte und Unternehmen getroffen. Dies betrifft die Preise für die leitungsgebundenen Energien Strom, Erdgas und Wärme. Gleichzeitig hat sie die Finanzierungsseite geregelt: So soll das milliardenschwere Paket zum einen über den Wirtschaftsstabilisierungsfond der Bundesregierung (WSF) finanziert werden, zum anderen aber durch einen Beitrag der Unternehmen. Dieser Beitrag ist zweiteilig: Es sollen die Stromerzeuger, die von den hohen Börsenstrompreisen in den vergangenen Monaten überplanmäßig profitiert haben, Erlöse aus der Veräußerung von Strom abgeben („Abschöpfung von Überschusserlösen“). So soll innerhalb der Energiewirtschaft ein geschlossener Finanzkreislauf entstehen. Zum anderen sollen Unternehmen aus dem fossilen Sektor einen sog. Solidaritätsbeitrag leisten, der als Übergewinnsteuer ausgestaltet ist.
Die aktuellen Maßnahmen umfassen in einer ersten Stufe Soforthilfen für Dezember 2022. In einer zweiten Stufe sollen dann mit Wirkung ab Januar 2023 die Preisbremsen gelten.
Stufe 1: Soforthilfen für Dezemberenergiekosten
Die sog. Stufe 1 der Soforthilfen ist bereits in Kraft getreten. Sie betrifft nur Erdgas und Wärme, nicht die Stromkosten. Von der Zielgruppe her betrifft sie nur Haushalte und kleinere Unternehmen; dies sind Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von Erdgas von bis zu 1,5 GWh.
So hat der Bundesrat am 14.11.2022 das am 10.11.2022 vom Bundestag beschlossene Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG) gebilligt. Dieses Gesetz enthält die Dezember-Soforthilfen (Stufe 1) für Letztverbraucher von Erdgas und Kunden von Wärme.
Haushaltskunden und kleinere Unternehmen mit einem Gasverbrauch bis zu 1,5 GWh pro Jahr werden im Dezember 2022 durch die einmalige Soforthilfe von den hohen Gaspreisen entlastet. Pflege-, Rehabilitations- und Forschungseinrichtungen, Kindertagesstätten, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Wohnungseigentümergemeinschaften sind unabhängig von ihrem Jahresverbrauch anspruchsberechtigt. Zur Umsetzung dieser Soforthilfe werden die Abschlagszahlungen für den Monat Dezember 2022 ausgesetzt oder ein entsprechender Betrag erstattet. Bei der Wärmeversorgung erfolgt die Entlastung durch eine pauschale Zahlung, die sich im Wesentlichen an der Höhe des gezahlten Abschlags bemisst. Basis sind die Abschläge für September 2022 mit einem „Sicherheitszuschlag“ von 20 %.
Für Mieterinnen und Mieter ohne eigene Verträge mit Energielieferanten, deren Energieverbrauch über die Nebenkosten abgerechnet wird, sind differenzierte Sonderregeln je nach Ausgestaltung der Verträge mit dem Vermieter vorgesehen. Ziel ist es, auch diese Haushalte zeitnah von den Kostensteigerungen zu entlasten.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erstattet den Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen die Entlastungsbeträge. Die Zahlungen zur Preisbremse erfolgen ab 01.02.2023.
Im JStG 2022 ist geregelt, dass alle im EWSG benannten Entlastungen der Besteuerung unterliegen, um eine sozial ausgewogene Entlastungswirkung zu erzielen.
Stufe 2: Energiepreisbremsen
In 2023 sollen die sog. Preisbremsen für Gas, Wärme und Strom umgesetzt werden (Stufe 2 des Maßnahmenpakets). Die Entlastungen können wegen des hohen Aufwands bei den Lieferanten voraussichtlich erst zum 01.03.2023 umgesetzt werden, sollen dann aber rückwirkend zum 01.01.2023 gelten.
Die Gesetzentwürfe für die Umsetzung der Strom-, Gas- und Wärmepreisbremse, sowie für die Mehrerlösabschöpfung bei den Stromerzeugern sind am 25.11.2022 im Kabinett verabschiedet worden. Die Regelungen sollen in einem Strompreisbremsegesetz (StromPBG) sowie in einem Gas- und Wärmepreisbremsegesetz (GasWärmePBG) normiert werden.
Hier wird es Beihilfen in Gestalt von monatlichen Gutschriften vom Lieferanten geben. Gutgeschrieben wird die Differenz zwischen dem gesetzlich gedeckelten Preis für ein sog. Basiskontingent und dem vereinbarten hohen Preis:
Für Erdgas wird ein Brutto-Preis von 12 Cent/kWh und für Fernwärme von 9,5 Cent/kWh für ein Grundkontingent von 80 % des historischen Verbrauchs festgelegt.
Für Strom wird mit Blick auf den Preisdeckel zwischen Haushalten/Gewerbe (bis 30.000 kWh Jahresverbrauch) und größeren Unternehmen differenziert: Für Verbraucher bis zu einem Stromverbrauch von 30.000 kWh pro Jahr wird der Strompreis auf 40 Cent/kWh inklusive staatlicher Preisbestandteile gedeckelt, und zwar für ein „Entlastungskontingent“ von 80 % des Vorjahresverbrauchs 2021, oder ggf. einer Verbrauchsprognose des Netzbetreibers. Für Verbraucher über 30.000 kWh wird der Strompreis für ein Entlastungskontingent von 70 % auf 13 Cent/kWh gedeckelt, d.h. Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen bleiben in dieser Zielgruppe unberührt. Begünstigt ist nur der Netzbezug, dies allerdings unabhängig davon, ob das Unternehmen von einem Lieferanten bezieht oder selbst am Stromgroßhandelsmarkt einkauft.
Bei der Gaspreisbremse sollen Kunden mit einem Gasverbrauch unter 1,5 Mio. kWh im Jahr sowie Pflege-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen eine Begrenzung des Brutto-Gaspreises für 80 % des Verbrauchs auf 12 Cent/kWh erhalten; für Fernwärme soll der garantierte Bruttopreis bei 9,5 Cent liegen. Die Industrie soll für 70 % ihres Erdgasverbrauchs nur 7 Cent/kWh bzw. für 80 % ihres Wärmeverbrauchs nur 7,5 Cent/kWh bezahlen.
Für die verbleibenden 20 % bzw. 30 % des Verbrauchs muss jeweils der (teure) Vertragspreis gezahlt werden. Dies soll einen Anreiz für Bemühungen der Haushalte und Unternehmen zur Energieeinsparung schaffen. Um eine Gasmangellage abzuwenden, in der die Erdgasversorgung durch die Bundesnetzagentur priorisiert werden müsste, seien trotz der vollen Gasspeicher ca. 20 % bis 30 % Einsparungen erforderlich.
Die genauen Voraussetzungen für die Beihilfegewährung (z.B. Standortgarantie) wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verhandelt; um die zwingenden beihilferechtlichen Vorgaben aus dem „Temporary Crisis Framework“ der EU in der Fassung vom 28.10.2022 zu beachten.
Die Preisbremsen sind zunächst bis Ende 2023 befristet. Mit dem Gesetzentwurf wird die Bundesregierung ermächtigt, die Maßnahmen per Verordnung bis April 2024 zu verlängern. Zudem soll sie bis Ende 2023 prüfen, ob eine Verlängerung darüber hinaus möglich ist. Der Bundestag hat am 15. Dezember 2022 die Gesetzentwürfe beschlossen.
Auf Grundlage des beihilferechtlichen „Temporary Crisis Frameworks“ der EU legen die Gesetzentwürfe über ein hochdifferenziertes System Höchstgrenzen für die Entlastungen fest. Bei energieintensiven Unternehmen, die unter einen der in Anlage 2 zum Gesetzentwurf aufgezählten energieintensiven Sektoren fallen, beträgt die Höchstgrenze der Entlastungen € 150 Mio. pro Jahr. Die Entlastungen aus der Strom- und Gaspreisbremse sind zusammenzurechnen. Wird der Betrag überschritten, ist eine Einzelfallprüfung bei der EU-Kommission vorgesehen; hierzu sind Geschäftsberichte und Energierechnungen einzureichen. Im Fall von Entlastungen von bis zu € 50 Mio. müssen die Unternehmen einen Plan vorlegen, wie sie ihre Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien steigern wollen.
Darüber hinaus gibt es für große Verbraucher Grenzen für die Entlastungshöhe abhängig von der Höhe der krisenbedingten Energiemehrkosten sowie von der EBITDA-Entwicklung im Vergleich 2021 zu 2023. Unternehmen, die über € 2 Mio. erhalten, trifft eine „Arbeitsplatzerhaltungspflicht“ bis zum 30.04.2025 für 90 % ihrer Stellen (Vollzeitäquivalente). Das zuvor diskutierte Verbot von Dividenden- und Boni-Zahlungen ist in dem Gesetzentwurf zur Strompreisbremse nicht enthalten; dies wird aber noch diskutiert.
Finanzierung: Überschusserlösabschöpfung und Solidaritätsbeitrag (Übergewinnsteuer)
Die Energieversorger erhalten von den Übertragungsnetzbetreibern die Kosten für die vergünstigten Verbrauchsanteile erstattet. Gleichzeitig ziehen die Übertragungsnetzbetreiber bei den sog. inframarginalen Stromerzeugern für Anlagen mit einer installierten Leistung von über 1 MW „Übererlöse“ ein. Dies betrifft erneuerbare Energien, Atomenergie, Mineralöl, Abfall und Braunkohle. Das ebenfalls im Strompreisbremsegesetz geregelte Abschöpfungsverfahren differenziert technologie-spezifisch. Die Abschöpfung erfolgt rückwirkend ab dem 01.12.2022 und ist zunächst bis Ende Juni 2023 befristet; sie kann bis maximal Ende April 2024 verlängert werden. Die vorher für die Vermarkung am Spotmarkt angedachte Rückwirkung zum 01.03.2022 ist vom Tisch. Insgesamt soll hierdurch ein geschlossener Finanzkreislauf in der Energiewirtschaft etabliert werden.
Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen soll über einen Solidaritätsbeitrag entsprechend der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates über „Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise“ vom 06.10.2022 erfolgen. Das diesbezügliche EU-Energiekrisenbeitragseinführungsgesetz (EU-EKBEG) wurde in das JStG 2022 aufgenommen. Erfasst wird jedes gewerbliche Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform, soweit es im Inland betrieben wird (Einzelunternehmen und Personen- und Kapitalgesellschaften sowie Betriebsstätten) und im Besteuerungszeitraum mindestens 75 % seines Umsatzes in den Bereichen Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt. Der Solidaritätsbeitrag soll für das erste nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahr, das als Besteuerungszeitraum 1 definiert wird, sowie für das darauffolgende Wirtschaftsjahr, das als Besteuerungszeitraum 2 definiert wird, erhoben werden. Der Solidaritätsbeitrag ist auf den Teil des Gewinns des im Besteuerungszeitraum 1 bzw. 2 endenden Wirtschaftsjahres zu entrichten, der mehr als 20 % über dem Durchschnitt der steuerlichen Gewinne aus den nach dem 31.12.2017 beginnenden und vor dem Beginn des Besteuerungszeitraums 1 endenden Wirtschaftsjahren liegt. Bei Kapitalgesellschaften ist als Gewinn der steuerliche Gewinn maßgebend (siehe auch R 7.1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 31 KStR 2022), bei Steuerpflichtigen in anderer Rechtsform die entsprechende Größe. Der Solidaritätsbeitrag beträgt 33 % dieser Bemessungsgrundlage und ist keine abzugsfähige Betriebsausgabe.