Anwendungen im Bereich Zoll

Zölle bezeichnen im Allgemeinen Abgaben, die bei der Überführung von Waren über Zollgrenzen erhoben werden. Unterschieden wird hierbei zwischen der Einfuhr von Waren in ein Zollgebiet (Einfuhrzölle) und der Ausfuhr von Waren (Ausfuhrzölle). Bei der Überschreitung von Zollgrenzen beim Warenimport wird im Rahmen einer Zollprüfung untersucht, ob Einfuhrabgaben anfallen und in welcher Höhe diese abgeführt werden müssen. Schwerpunkte dieser Tätigkeiten liegen bei der Einreihung oder Tarifierung von Waren. Dabei werden alle Waren mit einer eindeutigen Warennummer versehen, die nachfolgend der Berechnung des Zollwerts zugrunde liegen.

Die Korrektheit der Zollanmeldung wird seitens der Zollverwaltung überprüft. Inkorrekte Anmeldungen müssen umgehend korrigiert werden und können zu erheblichen Zollnachforderungen führen. In schwerwiegenden Fällen sogar zur Einleitung eines Strafverfahrens. Um eine korrekte zollrechtliche Tarifierung von Waren sicherzustellen, bestimmen viele Unternehmen daher häufig einen Zollbeauftragten. Dieser beschäftigt sich in der Regel mit allen zollbezogenen Themen.

Die Kosten für den Zoll müssen bei der Gestaltung von Verkaufspreisen berücksichtigt werden. Dazu müssen sämtliche zollrelevanten Daten digitalisiert werden, um eine maschinelle Auswertung zu ermöglichen. Oftmals sind im Rahmen der zollrechtlichen Behandlung auch andere steuerrechtlich relevante Aufgaben sowie Logistik-und Versandaufgaben und Tätigkeiten zur Einhaltung der innerbetrieblichen Exportkontrolle relevant.

Experteninterview

Was konkret seht ihr, wenn ihr euch die Zoll- und Exportkontrollfunktion der Zukunft im Unternehmen vorstellt? Wie kann diese künftig einen Mehrwert im Unternehmen generieren und wie werden die technologischen Innovationen deren Arbeit im Unternehmen in den nächsten Jahren verändern?

Für die Zoll- und Exportkontrollfunktion der Zukunft wird es entscheidend sein, dass sie die neuen technologischen Möglichkeiten zur Entscheidungsfindung einsetzt und weniger zur Erfüllung von Compliance-Aufgaben. Denn nur so kann sie auch als Funktion wahrgenommen werden, die durch eine schnelle Entscheidungsfindung und die effektive Nutzung von Daten einen spürbaren Mehrwert für das Management liefert. Um dies zu ermöglichen, werden neben dem Steuersachverständnis künftig auch andere Skills benötigt. Hierzu zählen eine gewisse IT-Affinität und Marktkenntnisse zu vorhandenen Systemen. So wird sich insgesamt das Berufsbild in Richtung eines Technologieberaters entwickeln, der sich auch mit steuerlichen Grundlagen auskennt. Reines Excel-Know-how wird hier nicht mehr ausreichend sein. Nur mit dieser Entwicklung wird die Steuerfunktion in Zukunft sichtbarer im Unternehmen – gerade auch im Vergleich zu anderen Bereichen.

Dabei darf auch das Thema Data Governance nicht vergessen werden. Nur wenn der entsprechende Input für die Systeme in guter Qualität vorhanden ist und die Informationen belastbar sind, kann eine KI vernünftig eingesetzt werden. Dies ist in der Zoll- und Exportkontrollfunktion umso wichtiger, da Informationen aus verschiedenen Quellen des Unternehmens kommen und auch teilweise bei Dienstleistern außerhalb des Unternehmens liegen.

Darüber hinaus erwarte ich in der Zukunft eine stärkere Fokussierung auf das Thema Datenanalyse bei der Zoll- und Exportkontrollfunktion. Denn gerade in diesen Bereichen existieren heutzutage zum Teil noch immer mangelnde Analysemöglichkeiten bei großen Datenmengen. Dies ist eine Entwicklung, die auch von der Finanzverwaltung zu erwarten ist. Diese könnte mit fortgeschrittenen Analysemöglichkeiten den Prüfungsfokus besser setzen, was für Unternehmen ein entsprechendes Risiko darstellen kann.

Das Anforderungsprofil an die Zollexperten wird sich mehr in Richtung des technischen Know-hows entwickeln. In der Folge wird es in Zukunft keinen zusätzlichen IT-Experten mehr brauchen, um notwendige Reports aus den verschiedenen Systemen zu extrahieren und eine Analyse der Daten durchzuführen. Doch dafür muss sich auch die Lehre und Ausbildungsstrategie entsprechend anpassen. Aktuell lassen sich in der Ausbildung oder im Studium der Zollverwaltung wenig bis gar keine Bezüge zu Automatisierung und KI finden. Hinzu kommt, dass im Zollbereich auch viele Quereinsteiger unterwegs sind. Heißt konkret: Es bieten sich auch jede Menge Chancen und gute Perspektiven für ein durchaus interessantes Arbeitsumfeld.

Wie schätzt ihr den Mehrwert von KI mit Blick auf die vergangenen Jahre in eurem Bereich ein – also die Zeit vor der Ära der generativen KI?

Hier muss eine Zollorganisation in zwei Bereiche unterscheiden werden: Im nicht-operativen Zollbereich, wie der steuerrechtlichen/zollrechtlichen Beratung, kam KI in den vergangenen Jahren eher weniger zum Einsatz. Im Bereich der Zolltarifierung hingegen hat sich seit 2017 einiges getan. Hier haben vor allem SAP-Partnerunternehmen entsprechende Lösungen vorgestellt, um Prozesse bei der Auslesung von Informationen zur Tarifierung mit Hilfe von KI weiter zu verbessern. Auch Prüflogiken wurden etabliert, mit denen sich Abweichungen in Zollanmeldungen effektiv identifizieren lassen. So werden bspw. Importzollanmeldungen automatisch mit Zollanmeldungen der vergangenen Monate abgeglichen und dem Sachbearbeiter anhand von prozentualen Abweichungen präsentiert. Dies stellt einen Teilbereich eines internen Kontrollsystems (IKS) dar, bevor die Zollanmeldung abgegeben wird.

Im Bereich der Tarifierung ist auch die WTS ClassificationEngine zu nennen. Bei diesem Tool werden sowohl gesetzliche Grundlagen aus dem Zolltarif und der Exportkontrollgüterlisten (Stichwort: Russland Sanktionen!) als auch mandantenspezifische Informationen (Attribute) genutzt, um bei der Tarifierung zu unterstützen. Die WTS ClassificationEngine verbindet dabei nicht nur Machine Learning mit einem individuell einstellbaren Regelmechanismus. Das Tool ist auch fester Bestandteil unserer Arbeitsabläufe im digitalen Zoll Business Partnering, um Mandanten in verschiedenen Industriesektoren effektiv betreuen zu können.

Wie schätzt ihr aktuell das Potenzial für KI in eurem Bereich ein und welchen Impact haben eurer Ansicht nach generative Sprachmodelle?

Nach den zollrechtlichen Bestimmungen ist es wichtig, dass die Ware bei der Anmeldung korrekt angesprochen und nicht in Abkürzungen aufgeführt wird. Hier zeigt sich vor allem für generative Sprachmodelle ein großes Potenzial, wenn diese im internationalen Kontext genutzt und global zum Einsatz kommen. So lassen sich aus dem Kontext heraus korrekte Übersetzungen liefern und einsetzen. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die Qualität sichergestellt wird. Die Aufgabe dieser Qualitätssicherung kann wiederum die Zollabteilung übernehmen.

Bei welchen konkreten Prozessen in eurem Bereich seht ihr aktuell das größte Potenzial zur Nutzung von KI, besonders im Hinblick auf aktuelle technologische Neuerungen wie bspw. generative Sprachmodelle?

Das größte Potenzial zur Nutzung von KI liegt sicher im operativem Zollbereich. Hierzu zählen zum Beispiel die automatisierte Erstellung von Zollanmeldungen und das damit verbundene System zur Prüfung der Zollanmeldungen (Stichwort: IKS). Auch ist ein weiterer Ausbau bei der Zolltarifierung möglich und verbessert hier die Qualität. Ein lernendes System kann sehr wertvoll sein, das eine Plausibilisierung durchführt und prüft, welche Produkte bereits an einen Kunden exportiert wurden oder bei welchen Produkten es Abweichungen zum bisherigen Verhalten gibt. Vor allem dann, wenn es um die Einhaltung von Sanktionsvorgaben geht. Es kann aber auch wertvoll für die Enthaftung bei etwaigen Zollverstößen sein. Damit wird die Compliance für Unternehmen maßgeblich verbessert.

Doch auch bei der zollrechtlichen Beratung ergeben sich durch die generativen Sprachmodelle neue Möglichkeiten. Da bei der Erstellung von Gutachten meist verschiedene Quellen zum Einsatz kommen, kann die KI sowohl bei der Recherche als auch bei der Formulierung von Texten helfen. So müssen zum Beispiel bei der Frage des zollrechtlichen Ausführers regelmäßig Gesetze, Kommentierungen, Dienstvorschriften sowie Schreiben und Infos der Behörden durchsucht werden. Hier kann ein generatives Sprachmodell für eine signifikante Zeitersparnis sorgen.

Worin bestehen aktuell die größten Herausforderungen, um das Potenzial von KI in eurem Bereich voll ausschöpfen zu können?

Das Thema Data Governance ist eine der zentralen Herausforderungen beim Thema KI, da die Systeme immer nur so gut sind wie deren Inputdaten. In diesem Zusammenhang werden Schnittstellen und Datenqualität zunehmend wichtiger. Denn eine KI-Lösung kann immer nur dann helfen, wenn auch die zugrundeliegenden Stammdaten gepflegt werden. Dafür müssen Zollexperten allerdings ihre Denkweise verändern und Datenwächter werden. Denn nur wenn Unternehmen lernbegierig sind und aus der transaktionalen Sicht herauskommen, können sie den Fokus auch auf spezifische Fälle legen, die in der Vergangenheit oft zu Problemen geführt haben.

Doch auch unter Berücksichtigung des enormen Potenzials von KI sollte die Geschäftsleitung nicht denken, dass in Zukunft keine Mitarbeiter mehr mit fachlichen Kenntnissen gebraucht werden. Selbst wenn ein Großteil der Arbeit durch die KI abgedeckt wird, braucht es dahinter noch immer einen Menschen zur Plausibilisierung mit fachlichem Know-how.

Angesichts der schnell voranschreitenden technologischen Innovation, wie müssen sich Steuerabteilungen aktuell aufstellen und welche unterstützende Rolle können Berater hier übernehmen?

Um für die Zukunft gerüstet zu sein, müssen Zoll- und Exportkontrollabteilungen vor allem einen Fokus auf die Organisationsthematik legen. In einem funktionierenden Team braucht es daher eine Kombination aus zollfachlichem Know-how, prozessualem Know-how und technischem Know-how. Diesen Skill-Mix gilt es, stets in der Balance zu halten. Externe Berater haben oft einen guten Marktüberblick für technische Lösungen, der für Unternehmen zum Teil nur schwer zu erlangen ist. Dadurch sind sie in der Lage, als technologischer Sparringspartner auftreten, der strategisch unterstützt und gezielt im operativen Bereich zum Einsatz kommt.